Kulturzentrum
Villa Berg


Meine Abschlussarbeit (B.Sc.) entwarf ich im Tandem mit
Judith Leonhard.

Am IÖB - Insitut für Öffentliche Bauten bei Prof. Alexander Schwarz galt es, die brachliegende Villa Berg neu zu denken als Haus für Musik und mehr. Dabei war der Villa Berg Park und der städtische Kontext dringend zu berücksichtigen.

Wir widmeten uns dem Entwurf mit Blick auf ein mögliches Gleichgewicht, das zwischen Kulturell und Naturell entstehen könnte.

der erste eindruck

Montag, 24.10.22 - 11:48 bis 15:56 Uhr

Nach einem morgendlichen Gewitter treffen wir uns das erste Mal gemeinsam im Villa Berg Park. Die Blätter vom Winde verweht, die Pfützen sind bauchig, trüb und verteilt durch den ganzen Park. Es ist aufgeklart nach dem Gewitter-Start in die Woche. Mittlerweile schaffen es vereinzelt Sonnenstrahlen durch das Grau, angenehm ist es.

Wo führt es hin? Angestachelt von der verwunschenen Parklandschaft, wollen wir es hier erkunden. Es ist ruhig, lediglich ein leises Rauschen verkündet die Nähe zur Bundesstraße. Atmen ist für uns eine Freude, man riecht das Laub, das Harz, das modrige Wasser. Gerüche, die nichts Städtisches an sich haben. Die Dichte des Kessels ist hier nicht spürbar, erhoben aus dem grauen Dickicht sitzen wir auf einer der kleinen Nachkriegs-Terrassen, südseitig der Villa. Ohne zu klettern haben wir es dorthin geschafft. Krähen, Maisen, und Amseln zwitschern und grüßen im Vorbeifliegen - quittiert von einem bellenden Hund aus der Sickstraße. Wir fühlen uns zurückgezogen, alleine im positiven Sinne.

 

An der Villa Berg sehen wir Spuren der Natur. Im Gegenüber zu diesem herbstlich prächtigen Wald inmitten der Stadt wirkt der historistische Fassadenschmuck naiv, plump und alt. Die spürbare und melancholische Schönheit dieses Ortes liegt im Zufall. Abseits des schwäbischen Sauberkeits- und Ordnungsparadigmas hat sich hier der Ist-Zustand selbst entfaltet. Die formale Strenge der Neo-Renaissance wird buchstäblich durchbrochen vom Löwenzahn.

Doch eines bedrückt. Warum sollen wir hier nicht sein? Warum ist dieser geheimnisvolle Ort durch großspurige Einzäunung zur Abweisung erklärt und nicht als Einladung formuliert? Wie kann man die Villa Berg reaktivieren, ohne die Verwunschenheit der Villa Herbst zu verändern?

 

die strategie

Strategie
Erschliesung
Nutzungsplan
Schwarzplan

der park

Wir formen ein kulturelles Zentrum im Park durch Abgrenzung eines rechteckigen Bereichs. Die Grenzen ergeben sich durch die Platzkanten des bestehenden Südplatzes, dem Wegenetz und der historischen Mittelachse des Parks. Baumreihen, angelegte Beete und bestehende bauliche Kanten machen diese Grenze erlebbar und leiten von einem Bereich in den anderen.
Inspiriert durch die Villa Lante in Bagnaia (Italien) soll eine Art Yin & Yang Effekt entstehen. Erst durch das kontraststarke Aneinanderstoßen können beide Seiten erfahrbar sein und in Balance stehen.

Die Beschäftigung mit den italienischen Beispielen brachte ausführliche Inspiration für die Gestaltung des Südplatzes. So wird die dominante Symmetrieachse der Villa in beiden Fällen durch orthogonal laufende Achsen durchkreuzt. Wege und Beete sind durch die ausgewählte Vegetation hierarchisiert. 
Für unseren Entwurf übernahmen wir diese Ordnung. Die Achse der Villa Berg flankieren wir durch zwei baulichen Strukturen, einem Neubau und einer Pergola.
Am unteren Ende des Südplatzes  sind Beete für Urban Farming angelegt, von programmierten Platzräumen gefolgt leitet dann der Hang über in die floralen Beete rund um die Villa.

Lageplan
Referenzen-Landschaft

der neubau

NB-Platzatmosphare
Konzepttext
Um die Villa als Erfahrungsraum des Geistlichen zu erheben, verlagern wir die Räume des Wirklichen in einen angrenzenden Neubau.Hierbei verhindern wir die Setzung einer neuen Grenze im Park durch Aufnahme der Kanten des Kaskadenplatzes. Unsere baulichen Strukturen rahmen diese Platzkanten und stärken die mittlere Symmetrieachse, wodurch sich das Ensemble stark zur Villa wendet. Durch die verschiedenen großzügigen Erschließungen werden die beiden Höhenniveaus miteinander verbunden. Eine Platzfolge entsteht. Der Neubau schafft funktionale Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Seiten, bricht dabei aber keine Blickachse. Zwischen dem Kaskadenplatz und der Ostseite der Villa wird eine klare Verbindung geschaffen. Über eine abschnittsweise Terrasierung des Geländes wird der Höhenunterschied erlebbar. Der Neubau besteht aus drei Komponenten: einem schweren Lehmbaukörper, der scheinbar aus der Erde, aus dem Hang entsteht. Leichter gläserner Werkschuppenarchitektur und einer Dachstruktur, die beiden Elemente zusammenbringt. Im Obergeschoss werden die Räume über einen Laubengang erschlossen. Quadratische und nutzungsoffene Werkräume stehen Seite an Seite. Die Trennwände sind variabel. Im Untergschoss werden die Räume parallel zum OG einbündig erschlossen.  Als architektonische Spange verbindet der langgestreckte Baukörper wie eine Klammer die verschiedenen Höhenniveaus. Um den Sockel formal zu erweitern und den Gedanken einer Basis weiterzuführen, verwenden wir Stampflehm. Nicht nur wird die horizontale Linie als Fortführung des querformatig gemauerten Sockels wahrnehmbar, auch die sandige, erdene Farbigkeit bleibt wahrnehmbar. Kontrastiert wird die Massivität durch leichte aufsitzende Glaskästen, die an Werkschuppen und Gartenhäuser anmuten. Die beiden Höhenniveaus werden spürbar, die verzinkten Fensterprofile und Stahldetails verleihen einen Werkhaus Charakter - man soll ungehemmt eintreten, mitmachen, mitsprechen. Die Traufenhöhe der bewachsenen Betondecke entspricht der Oberkante des Sockels. Für eine Architektur, die sich nicht in den Vordergrund stellt.

Zeichnungen

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Referenzen

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die villa

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Konzepttext
Die Villa Berg ist der zentrale Baukörper im Park. In ihrer herrschaftlichen Zeit als Residenz von Karl und Olga krönte die Villa über Stuttgart Berg. Die landschaftlichen, orthogonal angelegten Achsen formten den Park, verwiesen zur Innenstadt und zum benachbarten Rosensteinschloss. Der Raum war streng geordnet und hierarchisierte die Villa als Parkoberhaupt. Während des Wiederaufbaus wurde auch der Park neugestaltet. Mit voller Absicht verbarg man die alte symmetrische Strenge und verhinderte durch Aufschütten des Villa-Bauschutts auf der Ostseite der Villa, dass die alte Aufmarsch-Achse jemals wieder als solche benutzt werden kann. Diese künstlichen anti-autokratischen Hügel stehen mittlerweile unter Denkmalschutz.  Heute ist die Villa viel mehr als Teil des Parks erfahrbar, auch als Zentrum, jedoch nicht als Bedingung. Der Park ist nicht mehr völlig abhängig von ihr. Was soll die Villa also zukünftig bieten für den Park? Da der alte Glanz nicht wiederherstellbar ist, suchen wir eine neue Antwort.Die Villa wird das Herzstück der partizipativen Kulturarbeit. Konstante Nutzung und öffentliche, konsumfreie Räume sind dafür die Bedingung. Zwischen den beiden räumlich dominanten Zeitschichten (Fassade, Hülle Neorenaissance <-> Eiermann Sendesaal) herrscht eine unangenehme Enge. Für uns liegt in diesem Zwischenraum jedoch großes Potenzial, die oben genannten räumlichen Bedingungen für das Projekt zu erfüllen. Dafür wollen wir durch große und fließende Räume die beiden Zeitschichten zeigen und verweben. Dies tun wir in einem Tempelmotiv. Die Villa als durchwandelbarer Umraum einer Cella, dem Eiermannsaal. Die Villa wird zum großen Teil eine offene, vitale Kulturruine. Nur minimale Funktionen sind in Ebene 4-6 vorhanden, die meiste „Infrastruktur“ ist im Sockel. In den offenen Räumen sind Ausstellungen, Rückzugsorte, Kontemplation. In der Loggia kulminieren Kulturell und Naturell.Wer will mit uns in der Loggia in das westliche Abendlicht schauen, einen Tee trinken und im Fenster sitzend, dem Konzert aus dem Saal lauschen?

Zeichnungen

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Cover-Loggia

Referenzen

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